Der Papst will selbst über die Pille entscheiden
Seiten 223-224
Mitte 1964 unterbindet der Papst in Rom die weitere Diskussion über die Empfängnisverhütung im Konzilsplenum, indem er eine eigene Kommission zum Studium der Geburtenkontrolle einsetzt. Die anfangs 57 Mitglieder rekrutieren sich aus Wissenschaft, kirchlichen Funktionen und Laien (inklusive verheirateter Paare) und decken die Gebiete Theologie, Medizin, Psychologie und Demografie ab. Auch kirchenkritische Standpunkte sind vertreten. Die Mehrheit steht der Pille aufgeschlossen gegenüber. Im Laufe der Beratungen kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Reformorientierten und Erzkonservativen. Vor allem Kardinal »Alfredo Ottaviani, mächtigster und konservativster Kardinal der Kurie, […] seit Jahren Chef des wegen seiner inquisitorischen Methoden […] gefürchte ten Heiligen Offiziums«, warnt vor der Anerkennung der Pille.
Ende 1965 lässt der Papst die Konzilsväter wieder abreisen und behält sich die endgültige Entscheidung pro oder kontra Pille vor. Doch nicht alle seiner ›Untergebenen‹ halten sich an das verlangte Stillhalten und Abwarten. So tritt etwa Prälat Lorenz Freiberger als streitbarer Chefredakteur der katholischen Kirchenzeitung von München für eine ›menschenwürdige Geburtenkontrolle‹ ein: »Es ist möglich, daß Methoden der Wachstumsregelung eines Volkes gefunden werden, die der Würde des Menschen durchaus entsprechen und als Akt der Barmherzigkeit anzusehen sind, weil sie Millionen Menschen vor Hungerödem und vor tödlichem Siechtum bewahren.« Derartige Stellungnahmen werden dem aufmerksamen Beobachter Knaus bekannt gewesen sein.
Wie stark tabuisiert das Thema Verhütung aber immer noch ist, lässt sich beispielsweise aus einer Zeitungsmeldung erfühlen, die über eine neu gegründete Informationsstelle der Humanistischen Union (HU) in München berichtet. Mit Offenheit gegenüber Wehrdienstverweigerern, Homosexuellen, Freikörperanhän gern und anderen will die HU die »Befreiung des Menschen aus den Fesseln obrigkeitsstaatlicher und klerikaler Bindungen« erreichen: »So werde man zum Beispiel auch unverheiratete Paare über moderne Methoden der Empfängnisverhütung beraten.«
Naturgemäß nimmt die Zahl von Knaus’ Publikationen in seinen Altersjahren ab; die Zeit seiner großen Forschungen ist vorbei. Mitte der Sechzigerjahre nimmt er wieder Bezug auf seine Schnarchschleuder Silenzia. Am wichtigsten ist ihm der medizinische Nutzen seiner Erfindung: »Welche ernste Gefahr das Schnarchen insbesondere für die Herzkranken bedeutet, wird durch die […] Beobachtung be wiesen, daß nicht weniger als 20 % der Herztodesfälle sich im Schlaf ereignen, also in einem Zustand, von dem man annehmen könnte, daß er das kranke Herz weitestgehend entlaste. Aber wer jemals einen Herzkranken schnarchen gesehen hat, wird dessen beängstigende Zyanose und Stauung des Blutes in den Halsgefäßen nicht vergessen und begreifen, wie leicht das Herz unter dieser Belastung versagen kann.«