Zwei Parteigerichtsverfahren
Die Verhandlung des Parteigerichts findet schließlich am 10. November 1942 statt. Gegen Knaus wird eine Verwarnung ausgesprochen, obwohl sich in der achtseitigen Urteilsbegründung keine Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten finden. Denn das Gericht stellt selbst fest, dass »der Inhalt […] dienstlicher Berichte nicht Gegenstand eines parteigerichtlichen Verfahrens sein« kann, dass Knaus den Bericht nur auf dem Dienstweg vorgelegt und nicht freihändig herumgereicht hat und dass Knaus unter solchen Zeitdruck gesetzt worden war, dass er die ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen nicht weiter überprüfen konnte. Doch ohne den schützenden Arm Reinhard Heydrichs ist Knaus dem Zorn seiner Feinde ausgeliefert. Es könne nicht angehen, dass durch seine Stellungnahme »ein im öffentlichen Leben an führender Stelle stehender Parteigenosse, der für Partei und Staat erhebliche Verdienste aufzuweisen hat, in seiner Ehre angegriffen worden ist.« Knaus habe »ohne genügende Prüfung des Tatbestandes seinen Kollegen Strauß schwer belastet«. Mit dieser Bestrafung wolle man »den Angeschuldigten in Zukunft daran […] erinnern bei der Prüfung des einen anderen betreffenden Sachverhalts mit größerer Sorgfalt zu verfahren.« Dass Strauß selbst nach nationalsozialistischen Maßstäben kein Ehrenmann ist, will jetzt noch keiner denken.
So bleibt zwar ein Fleck auf Knaus’ Reputation zurück, doch ist die Sache wenigstens für den Moment bereinigt. Max de Crinis gibt grünes Licht nach Prag: »Was die Angelegenheit Knaus betrifft, so ist diese zu einem verhältnismäßig günstigen Abschluss gekommen und seiner Ernennung zum ordentlichen Professor steht nichts mehr im Wege […].« Knaus’ tschechoslowakische ordentliche Professur war vom Deutschen Reich nicht übernommen worden; de Crinis spricht daher hier von Knaus’ Übernahme in den Reichsdienst.
Trotz des zwei Jahre lang tobenden Nervenkrieges hatte es ›Business as usual‹ geheißen: Knaus behandelt Patientinnen, führt seine Klinik, hält Vorlesungen, forscht und publiziert. Das Thema Plazenta beschäftigt ihn auch weiterhin, obwohl er noch nicht selbst darüber publiziert: »Die erste Ausbeute [unserer] Beobachtun gen hat mein Assistent W. Wolfram (1941) in einer Arbeit niedergelegt, mit der bereits der Nachweis für den das Geburtsgewicht des Kindes bestimmenden Einfluss der Plazenta geliefert wurde.«
Knaus steht im wissenschaftlichen Austausch mit Fachkollegen, trägt etwa seine aktuellen Ergebnisse am 15. November 1940 vor der Gesellschaft der Ärzte in Wien vor, nimmt an der Grazer Universitätsklinik an einer Karzinomstudie teil, reist zu Kongressen. Im Oktober 1941 wird Knaus in den Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie berufen; darüber hinaus ist er Mitherausgeber mehrerer Fachzeitschriften.