„Guter Hoffnung“ - aber unglücklich

Sie wollte mich nicht!“, schluchzt Lacerta. „Warum hat sie gerade mich weggeben, aber meine Geschwister behalten?“*

 

Durchschnittlich 15 Schwangerschaften pro Frauenleben sind ‚natürlich‘, ‚naturgewollt’. Daraus folgen rund zehn Geburten, je nach Gesundheitszustand, Wohn- und Hygieneverhältnissen, Zugang zu sauberem Trinkwasser und energiereicher Nahrung etc. Von den etwa 10 Geburten haben früher rund sieben Kinder überlebt. Das ist den meisten Menschen aus wirtschaftlichen, sozialen oder anderen Gründen aber zu viel, früher wie heute. 

 

Im Zeitalter der Aufklärung versuchte man mit Findelhäusern die Chancen der Kinder zu verbessern. Im 18. Jahrhundert wurden in der Wiener Institution jährlich rund 2.000 Kinder (vorwiegend unehelich) anonym geboren und gestillt, bevor sie an Pflegeeltern vermittelt wurden. Als im folgenden Jahrhundert das Elend zunahm, stiegen auch die Geburten im Findelhaus drastisch – zeitweise waren es 9.000 Geburten jährlich, also etwa 30% aller Wiener Neugeborenen. Letztlich ist das Konzept des Findelhauses gescheitert. Mitte des 19. Jahrhunderts starben dort 70% aller Kinder. In vielen Pflegefamilien wurden die Kleinen nur als Einkommensquelle betrachtet und nicht gut behandelt. 

 

Verhütungsberatung ist auch heute keine ärztliche Leistung, die abgerechnet werden kann. Verhütung oder Abtreibung werden in Österreich nicht von der Krankenkasse bezahlt – im Unterschied zu den meisten anderen europäischen Ländern. Schwangerschaftsabbrüche sind in einigen Bundesländern gar nicht möglich. Für Kondome wird hingegen breit geworben, obwohl ihre kontrazeptive Wirkung gering ist („praktischer Pearl-Index“). Im Vergleich zu früheren Jahrzehnten/Jahrhunderten betreffen solche Schicksale nur wenige Kinder, aber immer noch zu viele: 25 bis 35 werden pro Jahr durch die Möglichkeiten der anonymen Geburt oder der Babyklappe aufgefangen, einige weitere Neugeborene ‚irgendwo‘ abgelegt, manche von ihnen im letzten Moment noch lebendig gefunden. 324 Kinder müssen nach der Geburt in einem Heim oder bei Pflegeeltern versorgt werden, weitere 1485 erhalten vom Jugendamt Unterstützung. Diese Zahlen steigen im Schulalter stark an, vermutlich sind die Eltern überfordert. Im Schulalter sind etwa 925 Kinder p.a. in Wohngemeinschaften oder bei Pflegeeltern, 3304 werden vom Jugendamt unterstützt. 

 

Alles in allem keine guten Aussichten für Kinder, die ungewollt sind - aus welchen Gründen auch immer. Aus ungewollten Schwangerschaften werden oftmals immer wieder soziale Problemfälle. Sie tragen ihr Schicksal ihr ganzes Leben mit sich, „ungewollt/unerwünscht“ gewesen zu sein.

 

 

*Aus: Heimlichkeit - Ein Mord erschüttert ein Museum, über das man nicht spricht, Verlag Omnino, 2020.